Reinhart Koehler mit Kindern bei nph honduras

60 Jahre nph: ein Kinderhilfswerk im Wandel der Zeit

Reinhart Köhler erzählt über die Veränderungen in Lateinamerika und welche Herausforderungen sich für nph ergeben.

Damals und heute: Wie hat sich nph in 30 Jahren verändert? Welche Herausforderungen gab es damals, welche sind heute aktuell?

Einer, der nph am besten kennt, ist Reinhart Köhler. Der Deutsche ist vor 32 Jahren nach Mexiko gereist, um im nph-Kinderdorf als Freiwilliger zu arbeiten. Lateinamerika und nph ließen ihn nie wieder los.

Heute lebt er mit seiner Familie im Kinderdorf von nph honduras und ist Vorsitzender von nph international.

Du bist 1982 als Freiwilliger nach Mexiko ins nph-Kinderdorf gereist. Heute bist du Vorsitzender von nph international und lebst mit deiner Familie in Honduras. Wie war das damals, vor 32 Jahren?

Dass ich damals als Freiwilliger bei nph begonnen habe, war die beste Entscheidung meines Lebens. Ich hätte nichts Schöneres und Bedeutenderes finden können, das mich damals, als jungen und idealistischen Menschen, mehr erfüllt hätte.

Diese ersten Tage bei nph werden immer eine kostbare Erinnerung bleiben. Woran ich mich noch am besten erinnern kann, ist, dass wir ohne die vielen verschiedenen Neuen Medien, die wir heute haben, viel mehr Zeit füreinander hatten und engere Beziehungen pflegten.

Heute ist alles schnelllebiger, aber Gesellschaften entwickeln sich weiter…vielleicht ist das der normale Lauf der Dinge.Damals: Reinhart Köhler mit den Kindern in Honduras. © nphApropos Veränderung: In Lateinamerika hat sich vieles in den letzten 30 Jahren verändert. Von welchen Veränderungen ist die Arbeit von nph am meisten betroffen?Ganz besonders hervorheben möchte ich eine Veränderung, die sich sehr positiv auf unsere Arbeit ausgewirkt hat: Die Unterzeichnung der UN-Kinderrechtskonvention im Jahr 1989. Dieser Schritt hat das Bewusstsein dafür, dass Kinder respektiert und beschützt werden müssen, gestärkt und somit auch unsere Arbeit, mit der wir eben dies tun.Die Diskussion um die Unterbringung von Waisen oder verlassenen Kindern fokussiert sich heute sehr stark auf Deinstitutionalisierung, das bedeutet die Rückführung der Kinder in eigene Familien oder die Unterbringung bei Pflegefamilien. Ich schließe mich der Meinung an, dass Kinder am besten bei ihrer Familie aufgehoben sind.

Doch leider ist manchmal dieser Platz nicht der richtige, nämlich dann, wenn Misshandlung, Verwahrlosung oder andere schädliche Zustände die Gesundheit des Kindes gefährden. Es gibt gute und schlechte Pflegefamilien, genauso wie es gute und schlechte Betreuungseinrichtungen gibt. Anstatt von vornherein eine Art der Unterbringung als ungeeignet abzustempeln, sollte man jeden Fall differenziert betrachten. Nur so kann man für jedes Kind das Beste finden.

Mir fehlt in der Diskussion außerdem das Thema Geschwister. Wir von nph sind der Meinung, dass Geschwisterkinder zusammen bleiben sollten. In Lateinamerika haben Eltern oft fünf, sechs oder mehr Kinder. Für alle Kinder eine Pflegefamilie zu finden, ist schwierig und oft unmöglich. So werden sie auseinandergerissen, was sie zusätzlich traumatisiert. Bei nph können Geschwister zusammen im Kinderdorf aufwachsen. Sie werden von uns niemals getrennt, denn sie sind eine Familie. Und genauso leben wir – wie eine große Familie.



Heute: Reinhart Köhler ist nph und den Kindern treu geblieben.
Heute: Reinhart Köhler ist nph und den Kindern treu geblieben. © nph
 

Mit welchen Herausforderungen sieht sich nph heute konfrontiert, die es vor 30 Jahren nicht gab?

In den meisten Ländern, in denen wir tätig sind, hat es einen enormen Anstieg von Gewalt und Kriminalität gegeben. Gangs, Drogenkartelle und andere kriminelle Gruppen dominieren die Gesellschaften in unseren Ländern.

Einer der Gründe dafür ist, dass trotz wirtschaftlichen Wachstums die Ärmsten arm geblieben sind. Die Zahl der Armen ist sogar gewachsen. In Honduras zum Beispiel ist sie von 58 Prozent im Jahr 2009 auf 65 Prozent im Jahr 2013 angestiegen.

Diese Zustände machen ein Land anfällig für Korruption, Gewalt und Verbrechen. Perspektivlosigkeit führt oft von Armut zu Kriminalität. Heute müssen wir uns stärker denn je darum bemühen, unseren Kindern eine gute Ausbildung zu bieten, um ihnen diese Perspektivlosigkeit zu ersparen. Auch die Vermittlung moralischer Werte und positive Vorbilder sind enorm wichtig für die Kinder.

Besorgniserregend ist auch, dass der Zugang zu Drogen heute viel leichter ist als früher. Kinder brauchen ein viel stärkeres Selbstbewusstsein, um sich davon abzugrenzen. Gerade für Jugendliche ist die Verlockung groß, an schnelles Geld zu kommen. Drogenbanden nutzen gezielt Jugendliche aus armen Verhältnissen für ihre Zwecke.

Das Internet ist auch eine neue Herausforderung für uns. Ich hatte es schon erwähnt, Neue Medien haben unsere Art zu kommunizieren, verändert. Heute ist im Internet jegliche Information verfügbar, ob gut oder schlecht.

Auch unsere Kinder haben Zugang zum Internet. Unsere Aufgabe besteht darin, aufklärend zu wirken und zu verhindern, dass Kinder durch Inhalte aus dem Internet Schaden nehmen. Ein verantwortungsvoller Umgang mit Neuen Medien also.



Welche sind die Herausforderungen der Zukunft für nph?

Die Herausforderungen sind mannigfaltig und einige habe ich schon erwähnt. Doch unsere größte Herausforderung ist es, die Bedürfnisse von verletzbaren Kindern bestmöglich zu erfüllen.

Es gilt, Antworten auf die einseitigen Richtlinien zur Deinstitutionalisierung zu finden, die uns in allen Ländern betreffen. Und eine weitere Herausforderung ist jedes Jahr aufs Neue, Unterstützer zu finden, die uns bei unserer Mission helfen. Und das wird immer schwieriger, besonders in Europa.

Die Menschen unterstützen lieber lokale, kleine Hilfsorganisationen oder die ganz großen, die durch ihr enormes Marketingbudget jedem bekannt sind. Doch so viel Geld können und wollen wir in Marketing nicht investieren. Denn dann würde weniger für unsere Kinder übrig bleiben und das ist nicht der Sinn unserer Arbeit. Deshalb müssen wir besonders kreativ sein, wenn es darum geht, neue Spender zu finden!

 

Vielen Dank für das Gespräch!