„Bei uns in der Dominikanischen Republik ist Wasser immer ein großes Thema: Wir sind von Meer umgeben, von Regen abhängig und wir spüren die Folgen des Klimawandels ganz besonders. Dürreperioden und sinkende Niederschläge verschärfen die Situation“, sagt Kirsten Henschel-Rolla (Kiki). Sie lebt als Projektkoordinatorin in dem kleinen Karibikstaat.
Und genau diese Situation war es, die den Stein vor rund zwei Jahren ins Rollen brachte: „Uns war klar, dass wir nicht weiter das wertvolle Grundwasser für alle möglichen Zwecke – von der Körperhygiene über die Toilettenspülung bis zur Bewässerung unserer Landwirtschaft – verwenden können. Wir wollten einen Beitrag zum Umweltschutz leisten und eine Wasseraufbereitungsanlage installieren, wie sie manche Hotels hier schon haben.“
Alfredo ist der langjährige Baumeister des nph-Kinderdorfs in der Dominikanischen Republik. Hier zeigt er den Plan für die Wasseraufbereitungsanlage. Schon das erste Kinderhaus hat er mit seinem Onkel zusammen errichtet.
Denn auch wenn nph in der Dominikanischen Republik kein Hotel unterhält, so ist das Kinderdorf mit seinen rund 150 internen und 220 externen Kindern und den rund 40 Mitarbeitenden von der Struktur her doch einem Hotel nicht unähnlich. Einen verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen praktiziert nph dort schon lange durch Recycling-Projekte, Mülltrennung und Kompostierung sowie nachhaltige Landwirtschaft zur Selbstversorgung. Klimaschutz spielt also eine große Rolle. Aus diesem Gedanken heraus war es dann klar, dass das nur grob gefilterte Schmutzwasser nicht wie bisher einfach in den Boden geleitet werden kann.
Die Idee: Auf dem Gelände des Kinderdorfs soll eine Abwasseraufbereitungsanlage entstehen. Diese nimmt das Schmutzwasser des gesamten Kinderdorfs auf, reinigt und klärt es so weit, dass es zur Bewässerung der Landwirtschaft verwendet werden kann. Anschließend versickert es im Boden – der Kreislauf zum Grundwasser schließt sich, ohne Belastung für die Natur.
Als Partner für das Projekt zum Thema „Integriertes Wassermanagement“ konnten nph in der Dominikanischen Republik und die nph Kinderhilfe Lateinamerika in Deutschland das Bundesministerium für Wirtschaft und Zusammenarbeit (BMZ) gewinnen. Diese finanzierte den Bau und die Inbetriebnahme der Anlage zu einem großen Teil. Das Gesamtprojekt belief sich auf circa 223.000 Euro, wovon der Löwenanteil in Höhe von 166.649 Euro vom BMZ gefördert wurde. Der Projektzeitrahmen ist 2019-2020, wobei noch offen ist, ob die Coronapandemie eine Verschiebung nötig machen wird.
Hier bewegt sich was: Der Aushub der Grube für die Wasseraufbereitungsanlage ist rötlich; Kies und Sand für den Zement bilden den grauen Hügel.
Ein weiterer Vorteil des neuen Umgangs wird es sein, dass das gute, saubere Grundwasser, das nur leicht aufbereitet werden muss, bis es Trinkwasserqualität hat, mehr Menschen als Trinkwasser zur Verfügung steht. Das ist ein wichtiger Beitrag zur Armutsbekämpfung im Umfeld des Kinderdorfs.
Anstatt auf dem Feld für die Bewässerung zu dienen, kann ein Teil der 900 Liter täglich in Kanister abgefüllt und den armen Bewohnern der Umgebung sehr günstig verkauft werden. Das ist eine wichtige Maßnahme, da diese oftmals keinen Zugang zu Trinkwasser haben und sich das Wasser in Flaschen nicht leisten können. Das führt zu Problemen mit der Ernährung, Gesundheit und Hygiene – ein besonders wichtiges Thema in Zeiten von Corona!
Es geht voran: Die Arbeiter bereiten das Ausgießen der vorbereiteten Elemente mit Beton vor. Den bringt ein LKW. Beton wird auf kleinen Baustellen im Kinderdorf oft von Hand gerührt, aber hier braucht es große Mengen!
Fünf Kleinhändler werden in Kooperation mit nph ein Auskommen haben, wenn sie mit Esels- oder Handkarren die Wasserkanister günstig kaufen und mit einer auskömmlichen Marge an Menschen in der Umgebung verkaufen. Die Wasseraufbereitungsanlage schafft also, sobald sie in Betrieb genommen werden kann, Arbeitsplätze. Und die rund 3.000 Menschen in den umliegenden Bateyes – den ehemaligen Unterkünften der Arbeiter auf den Zuckerrohrplantagen – profitieren von der Nähe zur Wasseraufbereitungsanlage und dadurch vom Zugang zu sauberem Wasser durch die Kleinhändler.
Zum Stand der Dinge: Die Wasseraufbereitungsanlage steht und ist betriebsbereit. Leider hat die Corona-Pandemie bisher die Inbetriebnahme verhindert, aber diese soll schnellstmöglich erfolgen. Gleiches gilt für die Lizenz, damit nph das Wasser verkaufen kann.
Nicht in alle Ecken des Geländes reichen die Schläuche zur Bewässerung. Die Schweine zum Beispiel bekommen Futter und Wasser in diesen umgenutzten äußerst praktischen ehemaligen Farbeimern.
Ein zweiter Teil des vom BMZ geförderten Projekts ist die Schulung von Kindern und Erwachsenen rund um den nachhaltigen Umgang mit natürlichen Ressourcen. Denn das Bewusstsein für den sicheren und effizienten Umgang mit Wasserressourcen, ökologische Aspekte sowie Hygiene zur Krankheitsprävention sind in Teilen der Bevölkerung noch sehr schwach ausgebildet. Gezielte Schulungen von Multiplikatoren – also Menschen, die Wissen weitergeben können – sowie die Ansprache von begeisterungsfähigen Schülerinnen und Schülern sollen Abhilfe schaffen.
Rund 100 Erwachsene erhielten bereits Schulungen zu nachhaltigem Wassermanagement, Kreislaufwirtschaft, Anbaumethoden. Teilnehmerinnen und Teilnehmer aller Berufsgruppen erfuhren, wie sie durch natürliche Bewässerung und Düngung erfolgreich nachhaltige Landwirtschaft betreiben können. Die Methoden helfen sowohl beim Urban Gardening als auch beim Bestellen größerer Flächen. Die Multiplikatoren – vor allem Bauern, Kleinbauern und Interessierte – erhielten theoretische und praktische Kenntnisse, die sie in ihrem Umfeld weitergeben können.
Hier ein Eindruck aus dem landwirtschaftlichen Bereich auf dem Gelände des nph-Kinderdorfs. Im Hintergrund sieht man Kochbananen-Pflanzen. Ein Hilfsgärtner bereitet die Bewässerung der Anpflanzungen vor. Die Bewässerung soll künftig aus der Wasseraufbereitungsanlage kommen und nicht mehr wertvolles Trinkwasser verbrauchen.
Auf einer Fläche von 2.000 Quadratmetern entsteht zum Üben und als Anschauungsobjekt derzeit ein kleiner Waldgarten auf dem Gelände des Kinderdorfs. Ein Waldgarten ist eine essbare Landschaft, angelegt nach den Prinzipien der nachhaltigen Landwirtschaft oder auch Permakultur. Hier gehen Streuobstwiese, Gemüsegarten und Wald ineinander über und bieten einen nachhaltigen, ökologischen Lebensraum für Tiere, Pflanzen und die Menschen, die sich um den Waldgarten kümmern.
Nach der Anpflanzphase soll der Waldgarten ohne zusätzliche Bewässerung auskommen – wie in der Natur.
Aber auch Kinder können im Rahmen des vom BMZ geförderten Projektes viel für ihr Leben und ihre Gesundheit lernen. Altersgerecht aufbereitet von einer Expertin aus Santo Domingo haben bereits an fünf von zehn Schulen Schülerinnen und Schüler im Alter von zehn bis 14 Jahren an Projekttagen teilgenommen. Das Ziel: sie für das Thema „Wasser“ zu sensibilisieren.
Auf dem Lehrplan standen Ressourcenschutz, Wassernutzung und Hygieneprävention. Auch wenn das erstmal sehr anstrengend klingt, so hatten die Schülerinnen und Schüler viel Freude beim Entdecken des Themas, da die Referentin sie ermutigte, das Gelernte als Song zu verarbeiten. Und Singen ist eine eingängige Methode, Inhalte zu vertiefen.
„Wir haben bewusst mit Experten vor Ort in der Dominikanischen Republik zusammengearbeitet“, erläutert Kirsten Henschel-Rolla die Vorgehensweise bei der Projektumsetzung: „Es geht uns darum, klarzumachen, dass es sich um ein eigenes, wichtiges Thema handelt, von den eigenen Leuten auf Augenhöhe vermittelt – und darum, den dominikanischen Ton zu treffen.“
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