Als an diesem Dienstagnachmittag Häuser, Kliniken, Schulen und Hütten zusammenstürzten, starben hunderttausende, weitere hunderttausende wurden verletzt, unzählige verloren ihr Zuhause. Der ohnehin schon ärmste Staat der westlichen Welt rutschte in einen Albtraum aus Chaos, Versorgungsengpässen und Hilflosigkeit. Jeder dritte in Haiti war betroffen. Besonders schlimm: Das Beben erschütterte die Hauptstadtregion, in der es bereits zuvor riesige Armenviertel mit improvisierten Unterkünften ohne fließendes Wasser gab.
Viele Häuser in Haitis Hauptstadt Port-au-Prince stürzten bei dem Erdbeben ein.
Zahlreiche westliche Hilfsorganisationen reagierten schnell und effizient, brachten innerhalb weniger Tage Hilfsgüter, medizinische Teams und Lebensmittel ins Land. Doch wie so oft nach Naturkatastrophen war es für Externe nicht einfach, die Hilfe da hinzubringen, wo sie am Dringendsten gebraucht wurde.
Mit Helikoptern der UN werden Hilfsgüter an Orte geflogen, die auf dem Landweg nicht mehr zu erreichen sind.
Deshalb war das Team der nph-Kinderhilfe zur rechten Zeit am rechten Ort: Damals noch unter dem Namen UNSERE KLEINEN BRÜDER UND SCHWESTERN war Pater Richard mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern schon seit 1987 in Haiti aktiv. Und anders als andere westliche Hilfsorganisationen arbeitete das Team von Anfang an mit einheimischen Ärzten, Pflegern, Fahrern und Köchinnen zusammen.
Die Chronik der ersten Wochen zeigt, wie dramatisch die Situation direkt nach dem Beben war – ein konstanter Strom von Patienten jeden Alters kam ins Kinderkrankenhaus St. Damien; Kinder, die das Beben zu Waisen gemacht hatte, brauchten Betreuung. Viele Frauen litten unter Frühgeburten – also musste eine Geburtsklinik eingerichtet werden.
Nach dem Beben lebten rund 1,3 Millionen Haitianer in Notunterkünften. Viele konnten durch zeitweilig bis zu sechs mobile Kliniken wenigstens mit einfachen medizinischen Maßnahmen betreut werden.
Nach dem Erdbeben erhielten viele Menschen erste medizinische Versorgung im nph-Kinderkrankenhaus St. Damien.
Das medizinische Team von nph registrierte und behandelte allein in den ersten drei Wochen nach dem Erdbeben mehr als 10.000 Patienten. Am Ende des Jahres 2010 waren es 50.000. Und dennoch: Die Lage spitzte sich mit dem Ausbruch der Cholera im Herbst erneut zu – die unhaltbaren hygienischen Bedingungen in den Armensiedlungen hatten zum Ausbruch der gefährlichen und ansteckenden Krankheit beigetragen. Und im November 2010 fegte ein Sturm über den Inselstaat hinweg, der viel Regen mit sich führte und das Leben der Armen in den provisorischen Zeltstädten noch weiter erschwerte.
Das Jahr 2010 war also in vielerlei Hinsicht fürchterlich für die Menschen in Haiti. Mit Blick auf die Arbeit von nph in dem karibischen Inselstaat lässt sich sagen: Es sind viele Dinge in Bewegung gekommen. Aus der Katastrophe wuchsen neue Aktivitäten und Angebote für die haitianische Bevölkerung. Weil die Projekte nicht am Schreibtisch in einer fernen Zentrale entstehen, sondern vor Ort und im Dialog mit der Community, entfalten die Aktivitäten von nph langfristige Wirkung.
Nach dem Erdbeben wurde schnell Schulunterricht in einem provisorischen Zelt für die vielen Kinder organisiert.
Die zerstörten einfachen Straßenschulen in den Armenvierteln zum Beispiel sind heute erdbebenfest wieder aufgebaut. 33 Grundschulen bilden ein solides Netz von Bildungseinrichtungen für die Ärmsten. Zudem entstehen derzeit Trinkwasserstationen an Schulen, die auch die Bevölkerung in den umliegenden Vierteln mit versorgen – viel nachhaltiger und sinnvoller als die tägliche Belieferung mit einem Tanklaster voller Trinkwasser!
Die nph-Aktivitäten in Haiti fordern eine Beteiligung der Betroffenen ein, beispielsweise in Form symbolischer Beträge für Behandlungen. Auch gibt es zahlreiche Ansätze, auch ein eigenes Einkommen zu erwirtschaften. Im Ausbildungs- und Produktionsstandort „Francisville“ lernen junge Menschen Berufe. Die Produkte – Lebensmittel und Baustoffe – sowie Dienstleistungen – Bau von Solaranlagen – verkauft das Team auch an externe Abnehmer.
Bei aller Zufriedenheit darüber, dass die nph-Projekte fruchtbar und nützlich für die haitianische Bevölkerung sind, darf man nicht vergessen, wie arm das Land ist. Insbesondere die andauernde Krise im zurückliegenden Jahr 2019 ließ die Zahl der Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind, spürbar ansteigen. Das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten veröffentlichte in seinem aktuellen Global Humanitarian Overview 2020 besorgniserregende Zahlen: Waren 2019 noch 2,6 Millionen Haitianerinnen und Haitianer auf humanitäre Hilfe angewiesen, werden es 2020 bereits 4,6 Millionen Menschen sein.
In Haiti herrscht zehn Jahre nach dem großen Erdbeben eine vergessene und damit unterfinanzierte Krise: Im globalen Vergleich gehört der kleine Karibikstaat zu den Ländern mit der größten Finanzierungslücke im humanitären Bereich. Ende 2019 waren weniger als ein Drittel der geschätzten Finanzierungsbedarfe des laufenden Jahres gedeckt. Als ärmstes Land der westlichen Welt steht Haiti auf Platz acht der verletzlichsten Länder, hinter Somalia, Tschad, Eritrea, Zentralafrikanischen Republic, DRC, Sudan und Niger.
Vor allem die Kinder sind in Haiti von der großen Armut betroffen.
Es gibt also viel zu tun im kleinen Haiti. Wenn Sie unsere Arbeit dort unterstützen wollen, finden Sie Infos hier. Werden Sie Teil der nph-Familie und helfen Sie armen Familien und Kindern auf dem Weg zu mehr Bildung, Gesundheit und Selbstbestimmung.
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