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nph und Haiti - eine enge Verbindung

nph und Haiti – eine enge Verbindung

Haiti, 10.01.2020 - Nothilfe in Krisenzeiten ist überlebenswichtig. Das hat die Arbeit der Hilfsorganisationen nach dem Erdbeben vor zehn Jahren in Haiti gezeigt. Doch nph hilft den Menschen in den Armenvierteln auch dauerhaft und nachhaltig.

Seit 1987 ist die nph-Kinderhilfe in Haiti aktiv – ursprünglich mit dem einen Ziel, Waisenkindern ein liebevolles Zuhause zu geben. Aus dem Bedarf der Bewohner vor Ort haben sich im Laufe der Zeit neue Anforderungen an die Hilfsorganisation entwickelt. Die Angebote sind umfassender und beziehen die Familien bedürftiger Kinder mit ein. Sonja Smolka und Cassagnol Destiné, selbst gebürtiger Haitianer, sind beide seit vielen Jahren für die nph-Kinderhilfe als Projektkoordinatoren tätig. Sie erläutern, warum nph in Haiti besonders verwurzelt ist und warum die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Experten sind in dem, was sie tun.

nph Projektkoordinatoren Haiti: Sonja Smolka und Cassagnol Destigné.

nph-Projektkoordinatoren Haiti: Sonja Smolka und Cassagnol Destiné

Ganz kurz: Was macht nph heute in Haiti?

Sonja Smolka: „Es gibt das Kinderdorf St. Hélène in den Bergen von Kenscoff, etwa 40 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Port-au-Prince sowie das so genannte Babyhaus S. Anne für Kleinkinder in Tabarre nahe der Hauptstadt. Zum Kinderdorf gehört eine Schule, die zusammen mit mehr als 30 weiteren Grundschulen und mehreren weiterführenden Schulen ein enges Bildungsnetz bilden. Diese Schulen stehen auch den Kindern der Nachbarschaft offen. Von den Bildungsprogrammen von nph und der Schwesterorganisation St. Luc profitieren rund 14.000 Schulkinder.

Ca. 400 Kinder leben in der Obhut von nph in Haiti.

Über 400 Kinder leben dauerhaft bei nph in Haiti.

In der Obhut unserer Institutionen leben dauerhaft 400 sowohl behinderte als auch nicht behinderte Kinder. Dazu kommen zwei Rehabilitationszentren für behinderte Kinder und Erwachsene. Allein in unserem St.-Damien-Kinderkrankenhaus in Tabarre mit jährlich rund 80.000 Behandlungen arbeiten 558 Menschen – 67 davon Ärzte! In Kooperation mit der Partnerorganisation Fondation St. Luc betreiben wir das St.-Luc-Krankenhaus für Familien. Im Ausbildungs- und Produktionszentrum Francisville bilden wir junge Menschen in verschiedenen Berufen aus und produzieren Lebensmittel und andere dringend benötigte Güter.“

Auf dem riesigen Gelände von nph in Haiti befinden sich viele Einrichtungen in unmittelbarer Nachbarschaft. Im Vordergrund ist das nph-Kinderkrankenhaus St. Damien zu sehen.

Auf dem riesigen Gelände von nph in Haiti befinden sich viele Einrichtungen in unmittelbarer Nachbarschaft. Im Vordergrund ist das nph-Kinderkrankenhaus St. Damien zu sehen.

Das ist ja viel mehr als in anderen Ländern, wo sich die Arbeit von nph stärker auf die Kinderdörfer fokussiert. Warum ist das so?

Cassagnol Destiné: „Weil wir gemerkt haben, dass es langfristig nicht hilft, nur den Kindern zu helfen. Wenn die Eltern nicht genug zu essen haben, keinen Zugang zu medizinischer Versorgung und sauberem Trinkwasser und Informationen über den hygienischen Umgang damit – dann können sie sich nicht richtig um ihre Kinder kümmern. Wir versuchen die Familien zu stärken, indem wir nach Möglichkeit auch die Situation der Eltern verbessern. Wenn eine Mutter bei der Geburt stirbt, dann bleiben oft viele weitere Kinder ohne Mutter zurück. Das möchten wir zum Beispiel mit unserer noch recht neuen hochprofessionellen Entbindungsstation im St. Damien-Krankenhaus verhindern.“

Die hochmoderne Entbindungsstation bei nph in Haiti betreut Frauen und Kinder vor- und nach der Schwangerschaft.

Die hochmoderne Entbindungsstation bei nph in Haiti betreut Frauen und Kinder vor- und nach der Schwangerschaft.

Welche Entwicklungen gibt es noch?

Sonja Smolka: „Indem wir dem Bedarf der Betroffenen folgen und sie stark machen, leisten wir Hilfe, die sich fortsetzt. Ein wichtiger Punkt ist die Bildung – und zwar von der Grundschule über Berufsausbildung bis hin zu Universitätsstipendien!“

Welche Verbindungen entstehen daraus? Tragen ehemalige nph-Kinder das Erlernte weiter?

Cassagnol Destiné: „Ja! Unsere ‚Kinder’ arbeiten häufig als Erwachsene in unseren Programmen – zum Beispiel in den medizinischen Berufen oder nach der Ausbildung. Die Absolventen der Ausbildung zum Elektro- und Solartechniker arbeiten heute in einer Schulfirma in Francisville. Natürlich ist der Arbeitsmarkt in Haiti schwach und einige gehen ins Ausland, in der Hoffnung auf ein besseres Leben - das muss man realistisch sehen.  Dennoch ist es uns ein großes Anliegen, Perspektiven für die jungen Erwachsenen im Land zu schaffen und damit waren wir bisher auch recht erfolgreich.

Junge Krankenschwestern nach erfolgreichem Abschluß ihrer Ausbildung bei nph in Haiti.

Junge Krankenschwestern nach erfolgreichem Abschluss ihrer Ausbildung bei nph in Haiti.

Unsere Arbeit finanziert sich zu einem sehr geringen Teil selbst, aber der Großteil unserer Tätigkeit in Haiti ist spendenfinanziert. Je mehr Spenden wir bekommen, desto umfangreicher kann die Hilfe sein.“

Wie schaffen Sie als westliche Organisation die Nähe zu den Menschen in den Armensiedlungen?

Cassagnol Destiné: „Fast alle Mitarbeiter vor Ort sind Haitianerinnen und Haitianer – auch die verantwortungsvollen Positionen. Wir setzen auf ihr Know-how, auf ihren Expertenblick. Diese Vorgehensweise hat viele Vorteile: Wir können auch in gefährlichen Gebieten wie dem Slum Cité Soleil tätig sein, um den Menschen ein würdigeres Leben zu ermöglichen. Und wir arbeiten eng mit den Communities zusammen.

Neubauten von Schule und medizinischem Zentrum im Slum von Haiti

Am oberen Bildrand sieht man die neuen Häuser (mit blauen Dächern), Schule und medizinisches Zentrum, die nph mitten im größten Slum in Haiti gemeinsam mit den Einwohnern realisiert.

Ein Beispiel: Wegen der gefährlichen Sicherheitslage in Cité Soleil und den Ausschreitungen, die es bei Essenverteilungen gab, haben viele NGOs in der Vergangenheit die Essenslieferungen eingestellt und sich aus Cité Soleil zurückgezogen. Wir haben eine gemeinsame Lösung mit der Community gefunden.

Weiterer Vorteil von vielen: Wir sind breit aufgestellt: In all den Jahren haben wir uns spezialisiert auf Projekte in den Bereichen Medizin, Erziehung, Ausbildung und nachhaltige Entwicklung. Mit den Projekterfahrungen und unserem Netzwerk an engagierten Menschen vor Ort sind wir auch unter schwierigen Bedingungen in den Armenvierteln handlungsfähig.“

Wie schafft nph es, Begeisterung für diese Vielfalt an Aufgaben aufrechtzuerhalten?

Sonja Smolka: „Viele unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind mit dem Herzen dabei und engagieren sich übermäßig für bedürftige Menschen. Wenn nötig, sind sie bereit, viele zusätzliche Aufgaben zu übernehmen. Und nur so können wir den Alltag in einem dauerhaft von Krisen gebeutelten armen Land bewältigen. Mit viel Improvisationstalent, einer schnellen Anpassungsfähigkeit und dem Mut, zuzupacken, wenn sich Gelegenheiten bieten. Da können wir uns von der haitianischen Bevölkerung inspirieren lassen, die ausgesprochen resilient ist – also in der Lage, mit schwierigen Situationen gut umzugehen und Chancen zu ergreifen.“

Auf Augenhöhe begegnen auch die ausländischen Helfer den Kindern und Familien in Haiti, um gemeinsam ihre Situation zu verbessern.

Auf Augenhöhe begegnen auch die ausländischen Helfer den Kindern und Familien in Haiti, um gemeinsam ihre Situation zu verbessern.

Wie ist die aktuelle Situation in Haiti? Im Herbst mussten ja Schulen geschlossen bleiben, die Versorgunglage war katastrophal ...

Sonja Smolka: „Wir hoffen, dass wir im Januar einen Großteil der Schulen wieder eröffnen können. Die Lage ist etwas ruhiger geworden, aber es liegt eine Spannung über dem Land, die Versorgung ist noch sehr prekär. Man rechnet damit, dass die Gewalt und die Unruhen wieder ansteigen. Deshalb können wir mit unseren Projekten vor Ort weiterhin nur sehr vorsichtig und tagesabhängig agieren. Immerhin: Wir hoffen, mit den Trinkwasseraufbereitungsanlagen in unseren Schulen ab Januar weitermachen zu können!“