Liebe Freunde, liebe nph-Familie,
letzte Woche bei der Arbeit mit den Schwestern von Mutter Teresa wurde Sanon, ein 17-jähriger Junge, in seinem Rollstuhl zu mir gebracht. Er will unbedingt die Schule abschließen. Mühsam hatte er das Geld für die Schulgebühren des nächsten halben Jahres durch kleinere Arbeiten zusammenbekommen.
Als er gerade auf dem Weg zu seiner Schule war, um das Schulgeld zu bezahlen, wurde er überfallen.
Die Angreifer schlugen ihn, stahlen ihm das Geld und versetzten ihm zusätzlich auch noch Messerstiche in den Rücken, genau oberhalb der Taille, rechts neben der Wirbelsäule.
Jetzt ist Sanon von der Hüfte abwärts gelähmt.
Wenn ich mir erlauben würde, durch die große Anzahl solcher Tragödien in der Menschenfamilie abzustumpfen, dann würde ich nicht Sanon vor mir sehen, sondern lediglich ein weiteres Opfer der tagtäglichen Gewalt.
Alles, was ich sehen würde, wäre das „fünfte Überfallopfer in diesem Monat“.
Mein abgestumpftes Ich würde fragen: „Wie soll ich für seine Pflege bezahlen? Woher soll ich das Geld für die Rollstühle, Gehhilfen, Therapien und Gutachten von Spezialisten nehmen?“
Bei dieser Herangehensweise wird der Arzt zum Helden der Geschichte und klagt: „Wie soll ich diese Last tragen?“
In solchen Momenten frage ich mich: „Bin ich wirklich lebendig? Woher weiß ich das?“
Als Christ weiß ich, dass ein Mensch wirklich lebendig ist, wenn seine Handlungen und Denkweisen denen von Jesus entsprechen.
Was würde Jesus tun …
Jesus würde Sanon nicht ansehen und dabei überlegen, wie viele solcher Fälle er in diesem Monat bereits erlebt hat.
Er würde nicht auf die Idee kommen, dass Sanon diese Katastrophe auf irgendeine Weise heraufbeschworen und verdient haben könnte.
Er würde nicht auf die Idee kommen, Sanon als Kostenstelle oder sich selbst als den Helden der Geschichte zu sehen.
Jesus würde in Sanons Augen und in sein Herz blicken.
Er würde einen jungen Menschen sehen – einfach nur einen jungen Menschen –, dessen Träume zerstört wurden, der im wahrsten Sinne des Wortes durch das Messer der Diebe von seinen Träumen abgeschnitten wurde.
Jesus würde sehen, wie traurig und durcheinander er ist und wie hoffnungslos ihm seine Zukunft erscheint.
Ja, wir brauchen ein Herz, das dem Herzen Jesu gleicht.
Doch selbst wenn es uns einigermaßen gelingt, in seinem Sinne zu handeln, Jesus ist uns immer einen Schritt voraus.
Jesus kann sagen: „Sanon, sei geheilt.“
Wir können nur sagen: „Sanon, du musst diese Medikamente nehmen und wir hoffen und beten, dass du deine Beine wieder spürst und etwas von deiner früheren Beweglichkeit wiedererlangst.“
Jesus kann sagen: „Sanon, steh auf und geh.“
Wir können dies nicht.
Was wir aber tun können, ist ihm die notwendigen Behandlungen zu ermöglichen. Sanon wird ein neues Leben beginnen und Mutter Natur wird (mit ein wenig medizinischer Unterstützung) dafür sorgen, dass seine Entzündung zurückgeht und seine Verletzung zumindest teilweise heilt.
Und wir werden hoffen und beten, dass alles gut wird.
Jesus hätte sicherlich eine bessere Idee, doch ich denke, er würde uns Normalsterblichen seine Zustimmung für diesen Plan geben. Denn er will, dass wir das Leben haben.
Jesus hat für uns ein einfaches Rezept:
Ich bin wirklich lebendig, wenn ich dir helfe, lebendiger zu werden.
Lassen Sie uns denjenigen, deren Leben plötzlich aus den Fugen geraten ist, in der Osterzeit Beistand leisten.
Lassen Sie uns auf unserer spirituellen Reise zum Osterfest eine Vielzahl wahrhaftiger Spuren hinterlassen, die in der Asche sichtbar sind, aber gen Himmel weisen.
Ich danke Ihnen vielmals für Ihre Unterstützung, die Kindern Hoffnung und neues Leben schenkt.
Ihnen und Ihrer Familie wünsche ich ein gesegnetes Osterfest.
Ihr
Pater Richard Frechette, CP
Port-au-Prince, Haiti
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