Liebe nph-Familie und Freunde,
ich weiß, dass die Geschichten aus Haiti, die ich mit Ihnen teile, oft keine angenehme Lektüre sind. Aber sie vermitteln uns wichtige Erkenntnisse über das Leben und den Glauben. So auch in dieser Weihnachtsgeschichte.
Vor drei Wochen rief mich mein Mitarbeiter Kenson ganz aufgelöst an. Vor unserem Kindergarten hatten sie eine bewusstlose Frau mit einer blutenden Wunde am Kopf gefunden.
Wir wussten nicht, wer sie war,
was passiert war
oder wie wir ihre Familie finden sollten.
Stunden später erreichte mich ein Anruf unserer Kindergärtnerin.
Zwei Kinder - der dreijährige Jean und die fünfjährige Sara -
waren nicht abgeholt worden.
Nach mehreren Telefonaten stellte sich heraus,
dass die verletzte Frau ihre Mutter Margaret war.
Die Kinder waren verzweifelt
und riefen nach ihr.
Margaret lag zwei Wochen im nph-Krankenhaus.
Es waren qualvolle Tage, in denen wir alle voller Hoffnung
warteten, dass sie wieder aufwachte.
Eines Tages wurde Margaret unruhig.
Sie öffnete ihre Augen. Doch ihr Blick blieb leer.
Wenig später schaute sie sich um, erschöpft und benommen,
aber bei Bewusstsein.
Ihre geöffneten Augen boten uns die Möglichkeit,
ihr die beste Medizin zu verabreichen, die es für sie gab:
Ihre beiden Kinder.
Jean und Sara wurden zu ihr gebracht.
Sie sahen mit großen ängstlichen Augen auf eine Frau,
die ihre Mutter sein sollte.
Und Margaret sah verwirrt auf zwei Kinder,
die ihre eigenen sein könnten.
Wir hielten den Atem an.
Margaret konzentrierte sich.
Ihr Geist arbeitete fieberhaft.
Ihre Lippen zitterten. Dann streckte sie
ihre Arme nach den Kindern aus
und erinnerte sich.
Die Liebe erinnerte sich.
Die Liebe der Mutter erinnerte sich an ihre Kinder.
Später erzählte Margaret, was passiert war:
Sie war auf dem Weg zum Kindergarten, als zwei Diebe sie überfielen
und ihr mit einem Stein auf den Hinterkopf schlugen, sodass sie zu Boden fiel.
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Vor sehr langer Zeit wurde die ganze Menschheit ähnlich verletzt:
in der Geschichte von Adam und Eva.
Der Übeltäter griff damals nicht zum Stein,
sondern zu einem Apfel.
Seine Absicht war von Grund auf böse.
Die Folgen sind eine tiefe, blutende Wunde in unserem Innersten
und ein tiefer Schlaf des Vergessens.
Wir haben vergessen, wer wir sind,
wohin wir gehen
und warum wir leben.
Wir erkennen nicht, dass all die Menschen um uns herum
unsere Brüder und Schwestern sind.
Wir scheinen nicht zu wissen, was richtig und falsch,
was gut und böse ist,
und wie wir aus diesem Sumpf herauskommen können.
Und dann, am 24. Dezember, verabreicht uns die Heilige Schrift die bestmögliche Medizin.
Ein Kind.
Wenn wir Ihn in Andacht und Anbetung betrachten,
beginnen wir langsam,
uns zu erinnern.
Wir erinnern uns an Seinen Namen, wie der Prophet Jesaja es gelehrt hat:
„Wunderbarer Ratgeber!
Starker Gott!
Vater in Ewigkeit!
Fürst des Friedens!“
Wir erinnern uns
an die große Würde unserer selbst und aller Menschen,
an das unglaubliche Wunder der Schöpfung,
und an die Aufgabe, die wir gemeinsam meistern sollen.
Durch Sein Licht erinnern wir uns,
dass Gott durch uns wirkt und in uns lebt.
Die Liebe erinnert sich …
Danken wir Gott,
dass wir im Licht Seiner Gnade
eines deutlich erkennen:
Friede auf Erden ist möglich – für alle Menschen!
Lasst uns gemeinsam daran weiterarbeiten,
diese weihnachtliche Verheißung für alle zu erfüllen.
Ich danke Ihnen von Herzen für Ihre Hilfe.
Gesegnete Weihnachten für Sie und Ihre Lieben.
Pater Richard Frechette CP
Arzt und Leiter von nph Haiti
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