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Ein Mann sucht am Tag des Erdbebens in den Ruinen seines zerstörten Hauses nach Gegenständen, die er noch retten kann.

Katastrophale Zustände in Haiti: Hilfe ist angelaufen

Am Samstag bebte im Süden Haitis die Erde. Tausende Häuser sind zerstört, Familien ohne Obdach. Dann kam ein Tropensturm und zerfetzte ihre Notunterkünfte. Völlig durchnässt verbrachten die Menschen die Nacht im Freien. nph hilft den betroffenen Familien auf dem Land.

Für die Menschen im Süden von Haiti ist die Situation: katastrophal. Das Beben machte laut aktuellen Zahlen 136.000 Familien obdachlos. 60.800 Häuser sind komplett eingestürzt, 76.000 beschädigt. Verzweifelt haben sie mithilfe von Nachbarn und Hilfsteams in den Trümmern nach Angehörigen gesucht. Mittlerweile hat sich die Zahl der Toten auf 2.000 erhöht. Knapp 10.000 Verletzte müssen behandelt werden.

Die Szenen sind chaotisch, die Straßen voller Schutt der kaputten Gebäude. Auf dem Land sind einfache kleine Häuser und Hütten zusammengefallen, Selbstversorgergärten teilweise zerstört. Zu diesem großen Unglück gesellte sich am Dienstag ein zweites: Tropensturm Grace kam von der Dominikanischen Republik und brachte große Wassermassen mit sich.

Eine Familie frühstückt am Morgen nach dem Erdbeben in den Ruinen ihres Hauses.

Der Stadt Les Cayes unweit von Saint-Louis-du-Sud, wo das Beben besonders hart zuschlug. Eine Familie frühstückt am Morgen nach dem Erdbeben in den Ruinen ihres Hauses. (AP Photo/Joseph Odelyn)

Das erschwert den Bergungs- und Hilfsmannschaften die Arbeit. Und die Familien, die sich nach dem Beben in Zelten und provisorischen Unterkünften eine vorübergehende Bleibe geschaffen hatten, standen plötzlich sprichwörtlich im Regen. Grace hatte ihnen Zelte und Wellblech einfach fortgeblasen. Außerdem führten die Angst vor Nachbeben und das unbewältigte Trauma vom Erdbeben 2010 dazu, dass viele Menschen sich nicht mehr in Gebäude hineintrauen. Schutzlos verbrachten sie die Sturmnacht im Freien.

Der haitianische Zivilschutz sagt, dass in den betroffenen Gebieten 684.000 Menschen dringend auf humanitäre Hilfe angewiesen sind. Nicht betroffen ist die Hauptstadt Port-au-Prince, wo die Schulen, medizinischen Einrichtungen und das Kinderdorf von nph das Beben ohne Schaden überstanden haben. Dennoch gibt es enge Verbindungen und den Wunsch zu helfen.

Schnell vor Ort: medizinische Teams unterstützen Krankenhäuser

Deshalb bringen nph und seine Schwesterorganisation Fondation St. Luc einen Teil der humanitären Hilfe in die Krisenregion. Besonders die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von St. Luc sind im Katastrophengebiet stark verankert. Sie betreiben dort sechs Schulen und eine Kinderklinik im besonders betroffenen Ort Les Cayes. Die von der Fondation St. Luc errichteten Gebäude sind zum Glück erdbebenresistent und haben damit die 7,2 auf der Richter-Skala am vergangenen Samstag mit nur kleinen Rissen gut überstanden.

Erdbebenopfer erhalten medizinische Erstversorgung

Medizinische Erstversorgung erhalten Erdbebenopfer in einer improvisierten Mobilen-Klinik.

Schon bei zurückliegenden Katastrophen halfen die Teams der Fondation St. Luc der Bevölkerung vor Ort – eine vertrauensvolle Basis ist etabliert, es gibt funktionierende Netzwerke. Deshalb konnte St. Luc schon am Tag des Erdbebens seine Hilfe starten: Ein medizinisches Team aus Ärzten und Krankenschwestern, das in dieser Region im Außeneinsatz war, kontaktierte bereits am Samstag sofort die umliegenden Krankenhäuser und bot Hilfe an. Das Team unterstützt im Krankenhaus in St. Louis-du-Sud, wo der aktuelle Hilfebedarf am größten ist, und versorgt Schwerstverletzte.

„In den Krankenhäusern fehlt es an Platz und Ausstattung zur Versorgung der vielen Verletzen. Auch an medizinischem Personal und den einfachsten Verbrauchsgütern und Medikamenten. Die Lage in den Krankenhäusern war zuvor schon unzureichend. Jetzt sind die Kapazitäten völlig ausgeschöpft“, erläutert Sonja Smolka, Projektkoordinatorin von nph für Haiti.

Deshalb leistet auch nph medizinische Hilfe: Die medizinischen Einrichtungen von nph in der Hauptstadt Port-au-Prince halten Bettenkapazitäten vor – für die Notfallversorgung nach dem Erdbeben einerseits und für die Versorgung von Patientinnen und Patienten, die momentan im Erdbebengebiet keine ärztliche Versorgung finden. Zudem wird das Kinderkrankenhaus St. Damien ein medizinisches Team in die Erdbebenregion entsenden. Dort wird es gemeinsam mit den Partnern der Fondation St. Luc tätig sein.

Einfallsreiche Logistik – zur Not mit Muskelkraft

Zusätzlich zur dringend benötigten medizinischen Versorgung schickt nph Hilfsgüter ins Erdbebengebiet: Wasser, Nahrungsmittel und Hygieneprodukte stehen ganz oben auf der Liste der benötigten Erstversorgung. Der Transport ist derzeit abenteuerlich, und das ist noch vorsichtig ausgedrückt: Die Straßen in Haiti – im Normalfall schon häufig nur Schotter- oder Erdpisten – sind vom Erdbeben teilweise zerstört. Die heftigen Regenfälle haben nun zusätzlich Erdrutsche und weitere Zerstörungen gebracht.

Das bedeutet: Logistik mit Muskelkraft. Zwei Nothilfe-Teams von nph brachen am Sonntag von der Hauptstadt Port-au-Prince mit Hilfsgütern und Medikamenten in Richtung Erdbebengebiet auf. Weil ein Erdrutsch die Straße blockierte, konnten sie tatsächlich nicht selbst ins Katastrophengebiet fahren, aber die Güter zu Fuß über den zerstörten Straßenabschnitt bringen, wo Personal der Schwesterorganisation St. Luc diese in Empfang nahm. So kommen die Hilfsgüter rasch zu den betroffenen Menschen.

Hilfsgüter erreichen die Menschen nach dem Erdbeben in Haiti.

Erste Hilfe erreicht die obdachlos gewordenen Menschen im Süden Haitis von der nph-Partnerorganisation Fondation St. Luc, zu der der weiße Van gehört.

Warum sorgen die Helferinnen und Helfer vor allem für Familien im ländlichen Raum? In der Stadt erhalten die Betroffenen relativ schnell und gut Hilfe von Wohltätigen Organisationen und Krisenteams. Auf dem Land jedoch ist das Hilfsnetzwerk weniger gut. Die Menschen hier sind auf sich allein gestellt und brauchen umso dringender das lokale Know-how von nph und seiner Partnerorganisation Fondation St. Luc.

Zeltstädte verhindern – Familien sollen Hilfe in ihrem Umfeld bekommen

Und wie soll es weitergehen? Sonja Smolka kennt die Situation auch im ländlichen Raum genau. „Was sich die betroffenen Familien jetzt am dringendsten wünschen, ist ein Dach über dem Kopf. Wir wollen dazu beitragen zu verhindern, dass in Haiti weitere Zeltstädte entstehen, die sich nach und nach zu Elendsvierteln entwickeln. Deshalb stehen wir jetzt schon in Kontakt mit den Familien abseits der Städte, wo nach und nach Hilfe ankommen wird. Wir wollen mit lokalen Materialien und gemeinsam mit den Communities möglichst direkt und unkompliziert helfen.“ Mindestens 250 Familien können auf diese Weise rasch wieder in den eigenen vier Wänden leben – mithilfe lokaler Netzwerke.

Das ist auch wichtig, damit Kinder zum geplanten Schulstart Anfang September möglichst wieder zur Schule gehen können. Nach den langen Pausen, bedingt durch die Corona-Pandemie, ist das ein wichtiges Ziel.

Die Hilfe, die Materialien, der Transport – das alles kostet Geld. Die nph Kinderhilfe hat bereits eine Soforthilfe von 50.000 Euro für Haiti auf den Weg gebracht. Doch das ist erst ein kleiner Anfang. Bitte helfen Sie Kindern und ihren Familien, die beim Erdbeben alles verloren haben ...