Der 12. Dezember 2015 wird in die Geschichtsbücher eingehen: Als der Tag, an dem sich in Paris 195 Länder auf ein Abkommen geeinigt haben, einen weltweit verbindlichen Klimavertrag. Das allein ist meiner Meinung nach eine Sensation, auch wenn einige Formulierungen hinter meinen Erwartungen zurückgeblieben sind. Die zentrale Vereinbarung, das neue Ziel maximal 1,5 Grad globale Erwärmung ist jedoch ehrgeiziger als erwartet. Das ist besonders wichtig, da bei einer Erwärmung von 2 Grad einige Regionen der Erde nicht mehr rettbar wären.
Die Klimakonferenz in Paris ist schon deshalb ein Erfolg, weil sie Menschen auf der ganzen Welt für das Thema Klimaveränderung sensibilisiert und die verheerenden Auswirkungen des Klimawandels transparent gemacht hat. Das „Pariser Abkommen“ ist ein Kompromiss, der Stärken und Defizite hat. Es ist ein historischer Vertrag unter internationalem Recht, den es in dieser Form bislang noch nie gegeben hat. Denn das Kyoto-Protokoll, das seit 2005 gültig war, galt nur für die Industrienationen. Der Weltklimavertrag bezieht nun erstmals die Entwicklungsländer mit ein. Das bedeutet, dass die Weltgemeinschaft die Verantwortung für den Klimaschutz annimmt und gemeinsam an Lösungen arbeitet.
Doch was sind die Stärken und Defizite des „Pariser Abkommens“? Eine Stärke ist sicherlich, dass zwischen allen Ländern eine Übereinkunft besteht, die Erderwärmung im Vergleich zum Ende des 19. Jahrhunderts auf 1,5 Grad zu begrenzen. Das ist ein ambitioniertes und zugleich vielversprechendes Signal. Es zeigt, dass im Reigen der Vertragsstaaten die mehr als 100 Entwicklungsländer eine gewichtige Stimme hatten. Sie hatten dieses Klimaziel vehement vertreten. Ihre Sorgen und Ängste sind, dass ganze Inselstaaten im Meer versinken werden, wenn die Erderwärmung um zwei Grad steigt. Schon heute hat der Klimawandel zu einer Erwärmung um rund 0,9 Grad geführt. Weil es auch künftig Treibhausgas-Emissionen geben wird, steigt die Erderwärmung in den nächsten Jahren weiter an.
Obwohl das „Pariser Abkommen“ offiziell erst 2020 das Kyoto-Protokoll ablöst, treffen sich Vertreter der Länder bereits 2018, um ihre Fortschritte auf dem Weg zum Langzeitziel zu untersuchen. Das ist hoffnungsverheißend, weil die Weltgemeinschaft beim Klimaschutz keine Zeit mehr verlieren darf. Denn wenn, wie im Vertragswerk beschrieben, die Treibhausgas-Emissionen in der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts auf null abgesenkt werden sollen, heißt das, dass wir uns bis 2050 von fossilen Energien verabschieden müssen. Die Weltwirtschaft muss sich bis dahin klimafreundlich verändern. Das ist für viele Länder eine wirklich große Herausforderung, die mit Konsequenz und Wille zur Zielerreichung gelingen kann.
Eine weitere Stärke des Vertrages ist, dass die Staaten ihre Ziele für die Eindämmung der Treibhausgas-Emissionen alle fünf Jahre mitteilen müssen. Im „Pariser Abkommen“ wurde das Prinzip des Fortschritts verankert. Damit das Gesamtziel erreicht werden kann, müssen die nationalen Klimaziele kontrolliert, angepasst und gegebenenfalls immer anspruchsvoller werden. Da die Industrienationen über innovative Technologien wie regenerative Energien verfügen, sollen sie die Entwicklungs- und Schwellenländer bei ihren Klimazielen sowohl finanziell als auch mit Know-how unterstützen.
Positiv zu bewerten ist, dass die Industriestaaten zugesagt haben, ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar in einen Klimafonds einzubezahlen. Er soll den Entwicklungsländern bei der Anpassung und Emissionsminderung helfen. Dieser Klimafonds kann meines Erachtens das Fundament dafür bilden, dass Entwicklungsländer eine Chance bekommen, ihre Wirtschaft klimafreundlich aufzubauen. Ab 2026 sollen die Beiträge weiter ansteigen und der Fond für Schäden und Verluste, die durch den Klimawandel hervorgerufen werden, ins Leben gerufen werden. Für Länder, die ganz besonders vom Klimawandel betroffen sind, wie beispielsweise Länder in Afrika oder Zentralamerika, ist dieser Fonds sehr wichtig. Denn Klimarisikomanagement wie Katastrophenvorsorge oder Versicherungslösungen gegen Schäden und Verluste sind insbesondere in den Ländern des Südens noch weitgehend unbekannt und bislang nicht finanzierbar.
So positiv die Signale aus Paris sind – es gibt auch viele Defizite im Vertragswerk. Bereits im Vorfeld des Klimagipfels in Paris hatten fast 150 Länder ihre nationalen Klimaziele eingereicht. Dabei wurde eines deutlich: Diese Ziele reichen bei weitem nicht aus, um den Klimawandel auch nur auf zwei Grad zu begrenzen, geschweige denn auf 1,5 Grad. Das heißt, dass die nationalen Klimapläne nun schnellstmöglich angepasst werden müssen, damit das Gesamtziel erreichbar wird. Ob und wann das geschieht ist unklar. Unklar ist auch, ob nationale Interessen und Eigeninteressen der Wirtschaft in den einzelnen Ländern dazu führen werden, dass die nationalen Ziele „weiche Faktoren“ bleiben. Mit ersten positiven oder negativen Signalen ist erst 2018 zu rechnen. Nämlich dann, wenn Vertreter der Länder zusammenkommen und ihre Fortschritte miteinander diskutieren.
Negativ auswirken kann sich auch, dass weder die nationalen Klimaziele noch die finanziellen Zusagen rechtlich bindend sind. Darauf hatte vor allem die USA hingewirkt, weil dadurch das „Pariser Abkommen“ nicht durch den amerikanischen Gesetzgebungsprozess gebracht werden muss. Denn Präsident Obama rechnet im Kongress mit massivem Widerstand. Bleibt abzuwarten, ob der US-Präsident die Bevölkerung für die Klimaziele gewinnen kann und dadurch eine breitere Akzeptanzbasis schafft, die die Politik nicht vernachlässigen kann.
Ein Schlupfloch für fossile Energien ist im „Pariser Abkommen“ leider noch enthalten: In der zweiten Hälfte des 21. Jahrhunderts soll ein Gleichgewicht zwischen dem Ausstoß von Treibhausgasen und deren Absorption geschaffen werden. Das heißt, es darf weiterhin Kohle, Öl und Gas verwendet werden – mit den entsprechenden negativen Folgen – wenn diese Emission neutralisiert wird, beispielsweise durch Meere, Wälder oder CO2-Verklappung. Auf Begriffe wie Dekarbonisierung, Nullemissionen oder Emissionsneutralität wurde im „Pariser Abkommen“ auf Verlangen von den erdölexportierenden Staaten und Indien verzichtet. Hier standen vor allem nationale Interessen im Vordergrund.
Dass über Schäden und Verluste im Rahmen des „Pariser Abkommens“ gesprochen wurde, war ein großer Erfolg für die Entwicklungsländer. Alle Staaten erkennen die Bedeutung von Schäden und Verlusten an, die durch den Klimawandel entstanden sind und weiter entstehen. Unbestritten ist, dass die Hauptverantwortung für die Erderwärmung bei den Industriestaaten liegt. Sie erkennen diese Verantwortung zwar an, doch rechtliche Ansprüche – wie von den Ländern des Südens gewünscht – sollen daraus nicht erwachsen. Diese Vorgabe war den USA wichtig. Dem Land, das zu den größten Klimasündern zählt.
Ein ähnliches Denken hat dazu geführt, dass der Klimafonds aus dem rechtlich bindenden Teil des „Pariser Abkommens“ in den unverbindlichen Teil verschoben wurde. Manche Industriestaaten wollten dadurch verhindern, dass rechtlich einklagbare Ansprüche entstehen und damit ein Präzedenzfall geschaffen wird. Experten vermuten, dass die Höhe des Klimafonds nicht ausreicht, um allen Herausforderungen wirksam begegnen zu können.
Der Weltklimavertrag soll am 22. April 2016 in New York von den Staatschefs unterzeichnet werden. Es bleibt zu hoffen, dass die Länder schon vor diesem Termin alle notwendigen Anstrengungen unternehmen, damit der Klimawandel aufgehalten werden kann. Denn wir alle merken die Auswirkungen der Erderwärmung: 2015 wird das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Lang anhaltende Dürren in Afrika und Mittelamerika oder Überschwemmungen in Europa, Amerika oder Australien belegen das.
Aus den Staaten Mittelamerikas berichten unsere Kollegen aus den nph-Kinderdörfern von mehrjährigen Trockenperioden, die in diesem Jahr durch El Niño noch verstärkt werden. Ernteausfälle in der Landwirtschaft sind die Folgen. Die Verknappung von Lebensmitteln führt zur Teuerung und die Armut in den betroffenen Ländern steigt an. Diese Situation belastet die Budgets der nph-Kinderdörfer sehr und es wird immer schwieriger Tausenden von Mädchen und Jungen eine ausgewogene und gesunde Ernährung zu bieten.
Unser christliches Kinderhilfswerk setzt sich in vielen Bereichen für Nachhaltigkeit ein: Die mehr als 18.000 Kinder, die in den letzten 61 Jahren in einem nph-Kinderdorf aufgewachsen sind, sind ein Beleg dafür. Als Handwerker, im medizinischen und therapeutischen Bereich oder als Akademiker sind sie eine Bereicherung für ihre Gemeinschaft und deren Leistungsträger.
Der Nachhaltigkeitsgedanke bei nph umfasst aber nicht nur die Erziehung und Ausbildung der Kinder. Auch bei der Landwirtschaft, der Warmwassergewinnung oder der Abwasseraufbereitung setzen wir modernste Methoden und Technologien ein. In Haiti hat nph ein Pilotprojekt aufgebaut, das weltweite Beachtung gefunden hat: ein Solar Smart Grid für die Einrichtungen in Tabarre, insbesondere für unser Kinderkrankenhaus, das in vielen Bereichen zu den führenden des Landes zählt. Der Nachhaltigkeitsgedanke umfasst dabei auch die Ausbildung von Solartechnikern, die später staatliche Einrichtungen oder Wirtschaftsunternehmen mit regenerativer Energietechnologie ausstatten können.
Für die Entwicklungsländer sind monetäre Unterstützung und Klimarisikomanagement ein Muss. Es bedarf aber auch des Know-how-Transfers, damit diese Länder nicht die gleichen Fehler begehen, wie die Industrienationen, sondern ihre Wirtschaft von Beginn an klimafreundlich entwickeln können. Dafür hat das „Pariser Abkommen“ die Grundlage gelegt. Nun müssen alle Länder ihre nationalen Interessen hinten anstellen und für das gemeinsame Ziel an einem Strang ziehen: Die Erderwärmung darf nicht höher als 1,5 Grad ausfallen; für die Zukunft der Menschheit und insbesondere der Kinder.
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